Berlin und seine
brutalistische Architektur
- Eine fotografische Erkundung
Berlin ist eine Stadt der Kontraste, geprägt von ihrer bewegten Geschichte und der Vielfalt ihrer architektonischen Stile. Besonders auffällig ist die brutalistische Architektur, die zwischen den 1950er- und 1970er-Jahren entstand und bis heute polarisiert. Mit ihren klaren Linien, massiven Betonflächen und kompromisslosen Formen bietet sie eine Bühne für starke architektonische Statements und erzählt von einer Zeit des Umbruchs und der visionären Gestaltung.
In meiner Fotoreihe erkunde ich Berlins brutalistische Bauwerke – von bekannten Wahrzeichen wie dem Corbusierhaus oder dem Mäusebunker bis hin zu weniger bekannten Gebäuden, die oft im Schatten der breiteren Öffentlichkeit stehen. Dabei fange ich die Wucht der Materialien, die subtilen Details und die Wechselwirkung mit ihrer urbanen Umgebung ein.
Meine Bilder laden ein, Brutalismus nicht nur als Stil, sondern als Ausdruck von Ideen, Macht und gesellschaftlichem Wandel zu betrachten. Sie werfen die Frage auf: Wie wirkt diese Architektur heute – als Zeugnis einer vergangenen Ära, als Herausforderung für unsere Sehgewohnheiten oder als Inspiration für die Zukunft?
Tauchen Sie ein in die faszinierende Welt des Brutalismus in Berlin und entdecken Sie eine neue Perspektive auf die Architektur dieser einzigartigen Stadt.
Das Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Charité, ehemals Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Freien Universität Berlin, ist ein außergewöhnliches Beispiel für brutalistische Architektur und wissenschaftliches Bauen.
Das Gebäude beeindruckt durch seine vielgliedrige, asymmetrische Gestaltung und hebt sich durch seine unkonventionelle Formensprache hervor. Es besitzt keine einheitliche Grundform, sondern basiert auf einer Doppel-Y- oder gestreckten X-Struktur. Die gestaffelten Baumassen steigen vom Hindenburgdamm aus in mehreren Stufen an und enden in einer fünfgeschossigen Gebäudefront entlang der Krahmerstraße. Die gesamte Architektur ist ein Meisterwerk des Sichtbetons. Die Oberflächen zeigen die Struktur der schmalen Bretterschalung, die dem Beton eine besondere Textur verleiht. Auffällig sind zudem die Versorgungsschächte, die wie Türme über die Dachkanten hinausragen und das Erscheinungsbild des Baus unverwechselbar machen.









Das Klinikum Am Urban in Berlin-Kreuzberg, gegründet 1887, ist ein bedeutendes Beispiel für brutalistische Architektur in der Stadt. Nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs wurde das Krankenhaus in den 1960er-Jahren durch einen groß angelegten Anbau erweitert. Dieser neunstöckige Bau in V-Form, entworfen vom deutschen Architekten Peter Poelzig, wurde 1966 fertiggestellt und war der erste Neubau eines städtischen Krankenhauses im Nachkriegs-Berlin und ist bis heute in Betrieb.
Das Gebäude erhebt sich imposant über den idyllischen Landwehrkanal und beeindruckt mit seiner markanten Betonfassade, die typisch für den Brutalismus ist. Die klare Linienführung und die funktionale Gestaltung spiegeln die architektonischen Ideale der 1960er-Jahre wider. Ursprünglich umfasste der Krankenhauskomplex mehrere Gebäude, von denen viele im Laufe der Zeit verkauft wurden. Heute ist vor allem der charakteristische Anbau von Poelzig das prägende Element des Klinikums.





auch als Corbusierhaus bekannt und zwischen 1956 und 1958 im Rahmen der Interbau 1957 errichtet.
Das Corbusierhaus in Berlin folgt dem Konzept der berühmten Unité d’Habitation in Marseille, einem der wichtigsten brutalistischen Wohngebäude weltweit. Es basiert auf Le Corbusiers Prinzip des „Wohnens in der Vertikalen“ – ein Hochhaus als eigenständige Stadt mit Wohnungen, Gemeinschaftsräumen und ursprünglich sogar Geschäften.
Das Gebäude ist 53 Meter hoch, hat 17 Stockwerke und umfasst 530 Wohnungen, die alle nach dem von Le Corbusier entwickelten Modulor-System gestaltet sind. Die Betonfassade ist mit farbigen Paneelen versehen, die dem Gebäude eine markante, fast künstlerische Anmutung verleihen.
Heute steht das Corbusierhaus unter Denkmalschutz und wird weiterhin als Wohngebäude genutz

Der Mäusebunker, offiziell das Zentrale Tierlabor der Freien Universität Berlin, ist eines der radikalsten Beispiele brutalistischer Architektur in Berlin. Mit seinen schrägen Betonwänden, den herausragenden blauen Lüftungsrohren und der insgesamt bunkerartigen Erscheinung wirkt das Gebäude wie eine dystopische Festung.
Der Mäusebunker wurde als isoliertes Hochsicherheitslabor für Tierversuche konzipiert. Die extrem massive Betonstruktur sollte sowohl Schall als auch Gerüche abschirmen, während die markanten Lüftungsrohre der Belüftung der Labore dienten. Die archaische Formensprache, geprägt von Sichtbeton und technischen Elementen, macht den Bau zu einem ikonischen Beispiel des Brutalismus.
Nach seiner Schließung im Jahr 2020 wurde der Mäusebunker für den Abriss vorgesehen – ein Vorhaben, das bei Architektur- und Denkmalschützer:innen weltweit auf Protest stieß. Besonders Brutalismus-Enthusiasten setzen sich für den Erhalt dieses einzigartigen Bauwerks ein. Inzwischen gibt es Pläne zur Umnutzung, beispielsweise als Forschungszentrum oder Kreativort.
Der Mäusebunker verkörpert die radikale Ästhetik des Brutalismus wie kaum ein anderes Gebäude in Berlin. Seine monolithische Präsenz, die dramatischen Licht-Schatten-Spiele und die futuristische Anmutung machen ihn zu einem faszinierenden Motiv.








Die Botschaft der Tschechischen Republik in Berlin ist eines der beeindruckendsten Beispiele brutalistischer Architektur in der deutschen Hauptstadt. Das monumentale Gebäude, entworfen von den tschechischen Architekten Věra Machoninová und Vladimír Machonin, wurde zwischen 1974 und 1978 errichtet und befindet sich im Botschaftsviertel an der Wilhelmstraße.
Der markante Bau ist ein herausragendes Beispiel für die sozialistische Architektur der 1970er-Jahre, geprägt durch massive Betonformen, geometrische Strukturen und eine futuristische Ästhetik. Besonders auffällig sind die schräg gestellten Fensterbänder und die skulpturalen Auskragungen, die dem Gebäude eine fast schwebende Wirkung verleihen. Die Fassade, bestehend aus Sichtbeton mit einem speziellen Naturstein-Finish, verstärkt die plastische Erscheinung des Bauwerks. Das Gebäude wurde bewusst als kraftvolles architektonisches Statement entworfen – eine Mischung aus Diplomatie, politischer Symbolik und tschechischer Ingenieurskunst. Nach dem politischen Umbruch in der Tschechoslowakei 1989 blieb das Gebäude im Besitz der tschechischen Regierung. Heute steht es unter Denkmalschutz, was seine Bedeutung als architektonisches und historisches Erbe unterstreicht.








St. Agnes ist eines der eindrucksvollsten Beispiele brutalistischer Architektur in Berlin. Das ehemalige Kirchengebäude, erbaut von Werner Düttmann zwischen 1965 und 1967, beeindruckt mit seinen massiven Betonformen und einer reduzierten, fast skulpturalen Ästhetik. Mit seinen klaren Linien, rauen Oberflächen und dem markanten Glockenturm steht St. Agnes für die kompromisslose Formensprache des Brutalismus.
Ursprünglich als katholische Kirche genutzt, wurde das Gebäude 2004 profaniert und später vom Berliner Galeristen Johann König erworben. Nach einer behutsamen Umgestaltung durch Arno Brandlhuber und sein Architektenteam ist St. Agnes heute Heimat der renommierten KÖNIG GALERIE. Die Umwandlung in eine Kunstgalerie bewahrte die rohe Schönheit des Sichtbetons und schuf einen einzigartigen Ort für zeitgenössische Kunst.
Die raue Materialität, das Zusammenspiel von Licht und Schatten und die monumentale Präsenz dieses Gebäudes unterstreichen die zeitlose Kraft des Brutalismus.


Der Bierpinsel ist eines der außergewöhnlichsten Bauwerke der Stadt und ein Wahrzeichen der brutalistischen Pop-Architektur. Mit seiner markanten, futuristischen Form und einer Höhe von 47 Metern prägt er das Stadtbild entlang der Schloßstraße. Entworfen von den Architekten Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte, wurde das Gebäude 1976 eröffnet und zunächst als Restaurant genutzt.
Seinen Namen verdankt der Bierpinsel seiner unverwechselbaren Silhouette, die an einen Pinsel erinnert. Die mehrstöckige Konstruktion ruht auf einem schmalen Sockel, während die aufragende Hauptstruktur mit ihrer kantigen, polygonalen Form und leuchtenden Farbgebung den Geist der 1970er-Jahre widerspiegelt. Das Bauwerk wurde 2017 unter Denkmalschutz gestellt und steht derzeit leer, doch es gibt Pläne zur Sanierung und Neunutzung.








